Überspringen zu Hauptinhalt

Reisebericht Uganda

Uganda – Hallo Musungu!

Reisebericht Uganda – Die Reise meines Lebens

 

Uganda ist auf der Weltkarte der Radfahrer ein ziemlich weißer Fleck. Dabei hat das ostafrikanische Land eine Menge zu bieten: Spektakuläre Landschaften, freundliche Menschen und nicht zuletzt rücksichtsvolle Autofahrer.

Das haben wir nicht erwartet: Wir sind Ehrengäste beim Mittagessen mit dem Bischof von Kasese, einer großen Bezirksstadt im Süden Ugandas! Wir, zwei Radler aus Deutschland, wollen uns nur ein Wasserleitungsprojekt in der ländlichen Kirchengemeinde Boyoga ansehen. Beim Eintreffen am dortigen Pfarrhaus begrüßt uns der Bischof mit den (deutschen) Worten: „Guten Tag, herzlich willkommen!“ Er und auch der uns übers Gelände führende pensionierte Priester hatten in den 70er-Jahren in Deutschland studiert und freuen sich über Besucher aus dem Land.

Nicht nur, dass wir täglich hundertmal „Musungu, Musungu, how are you“- Rufe der Kinder entlang der Straßen hören, nein, auch die Erwachsenen sind erfreut, dass Besucher aus Europa in ihr Land kommen. Vor unserer Abreise wunderten sich alle unsere Bekannten über unser Vorhaben, nach Uganda zu reisen: Wo dieses Land überhaupt Iiege, was es denn da besonderes gäbe, ob es nicht gefährlich sei und warum wir ausgerechnet mit dem Fahrrad unterwegs sein wollen?

Als wir vom Flughafen mit dem Taxi zum Hotel mitten in der Hauptstadt Kampala gebracht werden, trifft uns der dichte Verkehr wie ein Schock. Erst am nächsten Tag verstehen wir, dass es nur eine Verkehrsregel gibt, nämlich den § 1 unserer Straßenverkehrsordnung: jeder hat sich so zu verhalten, dass kein anderer gefährdet wird. Diese Regel wird tatsächlich eingehalten! Damit können Fußgänger, Radfahrer, Motorrad-Taxis, Autos und Lastwagen konfliktlos und aggressionsfrei auch den dichtesten lnnenstadtverkehr meistern. Und dies ohne jede Ampel und nahezu ohne Verkehrszeichen.

 

Ob in der Großstadt oder auf dem Land: Überall werden auch Radler als gleichberechtigt beachtet. noch nie haben wir uns so sicher gefühlt wie auf den Straßen in Uganda. Es ist ein dichtbesiedeltes und fruchtbares Land mit unzähligen grünen Hügeln und freundlichen Menschen. Nach der Busfahrt von Kampala in die Kleinstadt Fort Portal an den Ruwenzori-Bergen sind wir Gäste im Sozialprojekt „Mpora Rural Family“ in Kichwamba, einem privaten Waisenhaus mit Grundschule. Die Gästehäuschen und die Fischzucht dienen nicht nur dem praktischen Lernen, sondern bringen auch Einnahmen für die Einrichtung. Von dort wird unsere kleine Gruppe vom einheimischen Guide Patrick durch abgelegene Dörfer und an sehenswerte Orte geleitet, die nur wenige Touristen finden: z. B. die sagenumwobene Amabere-Tropfsteinhöhle.

Ganz nah dran

Wir besuchen das Kisiizi-Krankenhaus und staunen über das hauseigene Wasserkraftwerk mit deutschem Generator, der nicht nur den Strom für die Operationssäle sichert. sondern nebenbei auch die umliegenden Dörfer versorgt. An einem der vielen schönen Krater-Seen sind wir zu Gast in der kleinen ökologischen Ferienanlage bei Rubirizi, die ein ehemaliger Koch eines Tophotels angelegt hat. Mit seinen biodynamischen Mustergärten gibt er für die umliegenden Dorfbewohner ein Beispiel, wie man den fruchtbaren Boden dank dem milden Klima und ausreichendem Regen für vielfältiges, in Uganda oft unbekanntes Gemüse nutzen kann. Oder wir staunen über eine Genossenschaft von 5.ooo kleinen Teebauern, die eine große Teefabrik bei Kitozho betreibt und den ugandischen Tee weltweit exportiert und den Bauern so eine sichere Existenz ermöglicht. Zumeist sind wir auf den typischen ugandischen „Straßen“ unterwegs: Naturstraßen, mal staubig-trocken mit Sand und Steinen, mal nach kräftigem Regen mit Pfützen und klebrigem Lehm, immer jedoch mit tiefen Löchern und Furchen. Nur die Überland-Verbindungen der größeren Städte sind breite geteerte Straßen, oftmals von den Chinesen neu gebaut, immer mit breiten Seitenstreifen für Fußgänger und Radfahrer. Selbst im Lake-Mburo-Nationalpark können wir uns ungehindert mit dem Fahrrad an lmpalas, Zebras und Wasserböcke heranpirschen; nur im Queen-Elizabeth-Nationalpark mit Löwen und Elefanten müssen wir ein Safari Auto benutzen.

Ursprüngliches Afrika

Für uns zeigt sich die Schönheit des ursprünglichen Afrikas am besten bei geführten Wanderungen im Kibale-Forest Reserve mit den unzähligen bunten Vögel und Schmetterlingen oder die besondere Pflanzenwelt der feuchten Urwälder mit Sümpfen, riesigen Bäumen oder Schlingpflanzen. Im Vordergrund steht für uns bei dieser Tour aber das Eintauchen in den Alltag des heutigen Afrikas, wo Hacke und Handy, Trommeln und Fernseher auch noch im kleinsten Dorf vorherrschen. Dazu gehören auch die stundenlangen Transfer-Busfahrten von und nach Kampala, bei denen die lautstarke Dauerbeschallung mit ugandischen Musik-Videos unsere Ohren strapaziert. Und weil es tagsüber auch in den Städten nie Strom gibt und in den Unterkünften nicht immer fließendes Wasser, wird uns bewusst, in welch komfortablen Verhältnissen wir in Deutschland leben. Uganda gehört zu den 20 ärmsten Ländern der Welt, jedenfalls was den materiellen Reichtum betrifft. Angenehm fällt uns auf, dass in der Öffentlichkeit kein Alkohol getrunken wird (ist gesetzlich verboten), weniger schön jedoch ist der überall herumliegende, vom Wind zerstreute Plastikmüll, ganz im Gegensatz zu den sauber gepflegten Häusern und Vorgärten vor allem auf dem Land.

Wieder unterwegs

ln den tausend kleinen Läden oder Verkaufsständen entlang unserer Strecke (insgesamt 800 km in 4 Wochen) können wir uns immer mit genügend Proviant eindecken, genießen die frisch gegrillten Spieße mit Ziegenfleisch oder nahrhafte Chapatis, frische Ananas oder die allgegenwärtigen Bananen. Abends begnügen wir uns mit den meist sehr eingeschränkten Speisekarten in unseren Unterkünften: Hühnchen, Ziegenfleisch, Matoke (ein fester Brei aus Kochbananen) oder Reis. Aber selbst in der einfachsten landestypischen Unterkunft in einem kleinen Dorf sind die Zimmer sauber und das Bett frisch bezogen, wenn auch die Dusche („bathroom“) nur aus einem stockdunklen gemauerten Verließ besteht mit einem Eimer Wasser, der am Regenwasserbehälter zu füllen ist. Und wenn wir uns gelegentlich, wie die Afrikaner, nur vor ein Café am Straßenrand setzen, bei einem Tee oder den überall erhältlichen „Soft-Getränken“ (Coca-Cola ist überall) einfach stundenlang dem Treiben auf der Dorfstraße zusehen, sind wir voll integriert und fallen nicht mehr als Musungus auf. Wir merken: Erst wenn man sich mit viel Zeit auf die Verhältnisse einlässt, lernt man Afrika richtig kennen!

 

Am Ziel

Bei einem Abstecher auf die Ssese-Inseln im Victoria-See lassen wir die Reise in einer schönen Hotelanlage ausklingen, wo auch ugandische Mittelklasse-Familien aus Kampala gerne das Wochenende oder ein paar Ferientage verbringen. Auch dies gehört zur heutigen Realität in Afrika!

Wir waren im November und Dezember 2013 drei Wochen organisiert und mit einheimischem Guide unterwegs, zwei von uns haben diese Tour individuell und auf eigene Faust um eine Woche verlängert. Diese und weitere ähnliche Touren bietet der Spezialist für Radreisen in zahlreichen afrikanischen Ländern: der Berliner Veranstalter www.afrika-erleben.de
—-
Werner Schüle schrieb diesen Bericht in Aktiv Radfahren, Heft 5-2014, S. 140-145
Der Artikel im Original als pdf



An den Anfang scrollen