Überspringen zu Hauptinhalt

Tour de Faso – Velo Tour im fahrradfreundlichen Burkina Faso

Tour de Faso, Burkina Faso Radreise vom 28.11.- 20.12.2009

Samstag, den 28.11.2009
Ich sitze in einem Café auf dem Pariser Flughafen Charles de Gaulles und warte auf meine 6 Teilnehmerinnen der diesjährigen Radtour durch Burkina Faso. Erstmals wird es eine reine Frauengruppe sein, welche ich die nächsten 3 Wochen durch das westafrikanische Land führen werde.
Eigentlich hätten wir uns ja erst am Sonntag in Frankfurt treffen sollen. Im Vorfeld der Reise haben aber einige der Teilnehmerinnen festgestellt, dass es für die meisten einfacher wäre, direkt von ihren Heimflughäfen in Berlin, Hamburg oder München via Paris nach Ouagadougou zu fliegen. Der Mehrpreis konnte meistens durch den Wegfall der Bahntransporte kompensiert werden. Zudem fliegt die Air France tagsüber, womit wir nicht erst um 4 Uhr morgens vor Ort ankommen.
Eigentlich hätten schon alle da sein müssen, die Teilnehmerinnen treffen aber erst nach einiger Zeit ein. Schnell haben wir uns vorgestellt und schon müssen wir zum Flug nach Burkina Faso aufbrechen. Relativ pünktlich kommen wir in Ouagadougou an. Obwohl es bereits nach 8 Uhr abends ist, schwitzen wir noch kräftig beim Zusammenbau der Räder. Diese Arbeit können wir noch in der Halle durchführen, wo wir auch das Gepäck und die Kartons entgegen nehmen konnten. Unter den freundlichen Blicken der Zöllner bauen wir alle Räder vollständig zusammen, legen die Kartons ineinander und verlassen das Flughafengebäude.
Draussen erwartet uns Ben, der Taxifahrer. Er transportiert die Kartons mit dem Taxi ins Hotel, welches nur etwa 2 km vom Flughafen entfernt liegt. Wir selbst kurven hinter dem Taxi die ersten Meter auf afrikanischen Strassen ebenfalls bis ins Hotel, wo wir bereits mit Freude erwartet werden. Der erste Tag wird dann bei einem kleinen Begrüssungsbier beendet.

Sonntag, den 29.11.2009
Ausgeschlafen machen wir uns erstmals daran, die nähere Umgebung des Hotels zu erkunden. Ein erster Besuch auf einem lokalen Markt, ein Spaziergang durch die angrenzenden Quartiere und eine erste Kontaktaufnahme mit den fliegenden Händlern und der lokalen Bevölkerung zeigt bereits, dass uns noch viele und spannende Begegnungen und Diskussionen bevorstehen.
Ich kann feststellen, dass fast alle Teilnehmerinnen recht gut französisch sprechen. Somit muss ich mich nicht auf eine permanente Übersetzungstätigkeit einstellen. Nachmittags unternehmen wir den ersten Ausflug mit dem Rad. Quer durch die Stadt geht es zum Park „Bängr Weoogo“. Obwohl der Sonntagsverkehr weniger intensiv ist als an einem Wochentag, werden die Teilnehmerinnen durch den Verkehr stark gefordert und kämpfen auch mit der lokalen Umweltverschmutzung. Staub und viele Abgase liegen in der Luft. Der Park selbst ist dafür eine kleine Überraschung. Wir pedalen etwa zwei Stunden durch Wald- und Buschgebiet. An einem kleinen Teich wollen wir kurz anhalten. Plötzlich liegt nur wenige Meter neben uns ein erstes Krokodil! Mitten in der Stadt und ohne jegliche Absicherung! Erst jetzt nehmen wir die vereinzelt aufgestellten Warnschilder wahr. Ein Angestellter des Parks erläutert uns später, dass viele der Krokodile durch das Hochwasser vom 1.9.2009 aus dem Park weggeschwemmt wurden. Diese müssen irgendwo ausserhalb der Stadt in den Gemüsegärten gelandet und dort wohl verendet sein.

Montag, den 30.11.2009
Heute ist unsere erste echte Radtour geplant. Es soll zu den heiligen Krokodilen von Bazoulé gehen. Diese bewohnen einen kleinen See etwa 25 km ausserhalb von Ouagadougou. Wir fahren zuerst auf einer grösseren, asphaltierten Strasse nach Westen. Bereits nach 2 km zweigen wir auf Nebenstrassen ab. Diese sind nicht asphaltiert und sehr holperig. Dafür nehmen wir das richtige Leben auf der Strasse erstmals richtig wahr. Die Umweltverschmutzung nimmt starke Formen an; der Boden ist mit Abfall belegt, die Luft von Abgasen geschwängert. Trotzdem pulsiert das Leben rechts und links der Fahrbahn. Neben uns benutzen auch Eselskarren, hochbeladene Räder, Moped und schrottreife Autos die Fahrbahn. Hühner und Ziegen sind ebenfalls Teile dieser sich bewegenden Masse, welche beidseitig von kleinen Buden eingerahmt werden. Unsere Fahrt führt uns nach rund 5 km an den Stadtrand von Ouaga. Weiter durch einige Vororte und durch die westlichen Gemüsegärten geht es bis zu einem ersten Maquis. Dort geniessen wir etwas Ruhe und trinken einen ersten Tee am Strassenrand. Nun führt der Weg neben der grossen Hauptstrasse Richtung Westen. Da wir immer etwa 100 m neben der Hauptstrasse fahren, stört uns diese überhaupt nicht. Kurz vor der Abzweigung zu den Krokodilen ist allerdings der Weg unterbrochen. Die Überschwemmungen haben die Strasse weggerissen und metertiefe Gräben liegen vor uns. Wir schieben unsere Räder durch die Sträucher zur Strasse und nehmen dort die Strassenbrücke. Diese Aktion müssen wir allerdings mit einem ersten Platten bezahlen. Im Verlaufe der Reise werden sich dann noch knapp 10 Reifenpannen hinzufügen.
In Bazoulé setzen wir uns erstmals in das benachbarte „Restaurant“. Wir sind die einzigen Kunden, und die beiden Betreuer begrüssen uns dementsprechend. Hungrig stürzen wir uns auf die Menukarte. Es gibt Reis mit Tomatensauce, Bohnen und Kochbananen. Wir bemerken zu spät, dass jedes dieser Gerichte als eigenständiges Mahl gedacht ist. So erhalten wir nach über einer Stunde Wartezeit nicht 7, sondern 21 Mahlzeiten!
Nach diesem üppigen Mahl besuchen wir dann die Krokodile. Von den rund 100 Tieren sehen wir allerdings nur etwa 10. Diese werden durch ein Huhn angelockt, welches ein Wärter an einem Stab den Tieren vor dem Maul hin- und herbewegt. Abgelenkt durch das Huhn soll es möglich sein, dass sich die Krokos von uns streicheln lassen. Allerdings findet sich niemand, der sich dazu getraut. Anschliessend lässt der Wärter das Huhn laufen. Sofort flüchtet dieses, wird aber verfolgt von den Bestien, die mit einer unglaublichen Geschwindigkeit hinter dem Huhn her sind. Als sich das Huhn unter dem Gebüsch fast schon gerettet glaubte, jagten es die Dorfkinder wieder zu den Krokodilen zurück. Dabei rennen diese Kinder nur ganz wenige Meter vor den Krokos herum. Hier muss man wirklich einfach daran glauben, dass die Krokodile heilig sind und deshalb kein Interesse an uns armen Seelen haben. Beim Zurücklaufen zu den Rädern sehen wir noch Riesenschildkröten, welche hier ebenfalls gehalten werden.

Durch die lange Mittagsrast und die anschliessende Reifenpanne sind wir etwas spät dran. Zudem schlägt die Hitze bereits unerbittlich zu. Ein leichter Gegenwind kühlt zwar etwas ab, trotzdem müssen wir ein erstes Mal unter Hitze und Staub leiden. Von Kopf bis Fuss sind wir bereits mit rotem Sand eingedeckt, als wir nach 17Uhr ins Hotel zurückkommen. Dort erwartet die meisten ein afrikanisches Dauerproblem – kein Wasser zum Duschen im oberen Stock des Hotels. Verschwitzt und verdreckt müssen wir uns halt mit einem Eimer Wasser begnügen, welches uns das Hotelpersonal aufs Zimmer gestellt hat.

Dienstag, den 1.12.2009
Heute wollen wir Ouaga verlassen. Bereits um 9 Uhr sind wir am Busbahnhof. Er liegt nur etwa 1 km neben unserem Hotel. Dort deponieren wir das Gepäck und die Räder. Um 11 Uhr nehmen wir den klimatisierten Bus nach Bobo Dioulasso. Die Fahrt dauert ca. 5h und ist nur durch eine 10 minütige Pause unterbrochen. Auf der Fahrt sehen wir immer mehr Dörfer in traditioneller Lehmbautechnik. Auch wird die Landschaft immer grüner, viele Karitébäume, später auch Mangobäume, prägen das Bild. Angekommen in Bobo bauen wir die Räder zusammen und sind schon nach wenigen Metern in unserem Hotel, wo wir uns einrichten. Die Zimmer sind schön, aber in einigen gibt es einfach kein Spülbecken, dafür eine Dusche. Dann wäscht man halt die Hände unter der Dusche.

Mittwoch, den 2.12.2009
Wir führen unsere erste Tour in der Region Bobo Dioulasso durch. Sie führt uns zur Opferstätte von Dafra. Die Räder lassen wir bei einem Bauernhof stehen und steigen zu Fuss über die Felsen hinab zu der Opferstätte. Diesen heiligen Ort dürfen wir nur barfuss betreten. Bei den vielen Innereien, die von den geopferten Tieren stammen, ist dies nicht jedermanns Sache.
Unterhalb der Opferstätte spazieren wir noch in Richtung des Dorfes Dafra und steigen dann wieder durch die Felsen zu den Rädern zurück. Selbstverständlich probieren wir noch die gebratenen Süsskartoffeln am Wegrand, die dort von Frauen angeboten werden. Die Frauen von Dafra transportieren vor allem Holz auf dem Kopf über diese Felsrippe. Kurz nach dem Bauernhof nehmen wir dann unser mitgebrachtes Mittagessen unter einem grossen Mangobaum ein. Nachmittags sehen wir uns die Moschee von Bobo an und besichtigen das alte Stadtviertel. Ein erstes Ausprobieren des lokalen Hirsebieres rundet den Altstadtbesuch ab.
Für das Abendessen wollen wir nur kurz bei einem lokalen Restaurant etwas essen. Etwas übermütig versuchen 3 von uns, ein „Tô avec sauce gombo“. Was uns dann aufgetischt wurde, entsprach nicht ganz unserem europäischen Geschmack. Es handelte sich um eine schlabberige, geschmacklose puddingartige Masse mit einer Sauce, die zwar etwas kräftiger im Geschmack ist, dafür etwas klebrig wirkt und permanent schleimige Fäden zieht. „Sauce Gombo“ ist von diesem Abend an das Schreckgespenst für unbekanntes Essen.

Donnerstag, den 3.12.2009
Heute steht eine erste grössere Strecke (rund 75km) von Bobo nach Orodara auf dem Programm. Praktisch ohne Verkehr können wir, unter steter Beihilfe von Rückenwind, gemütlich bis Orodara fahren. Unterwegs pausieren wir am Strassenrand, wo wir bald wieder Gesellschaft von einem Bauern erhalten. Obwohl wir keine gemeinsame Sprache finden, verstehen wir, dass er unterwegs zu seinen Feldern ist. Stolz lässt er sich fotografieren, bevor wir uns alle wieder auf den Weg machen. Wir passieren die ersten grösseren Baumwollfelder.
In Orodara quartieren wir uns in einem neuen Hotel ein. Es liegt am Dorfeingang und hat noch keinerlei Infrastruktur. Die Zimmer sind sehr schön und gross, aber uns wäre mit einem Bier oder einer Cola weit mehr gedient. So müssen wir nach dem Zimmerbezug zu Fuss ins Dorf, wo wir in einem kleinen Restaurant ein akzeptables Nachtessen finden.

Freitag, den 4.12.2009
Auf einer schönen Strecke kurven wir rund 30 km nach Moussoudougou, einem kleinen Dorf südlich von Orodara. Die Strecke führt nur auf Pisten mit ganz wenig Sandstrecken durch verschiedene kleine Dörfer. Dort sehen wir die ersten grösseren Kornspeicherhütten. Heute ist eindeutig der Weg das Ziel, nicht das Dorf Moussoudougou. Da wir kein Gepäck dabei haben, lässt sich diese Strecke sehr gut fahren.
Der Dorfchef von Moussoudougou hat nur ein Auge. Aus diesem Grund ist dort die Zahl „1“ tabu. So bestellt man nicht eine Cola, sondern „3-2“ Cola. Das Dorf selbst wirkt heute etwas leer. Als wir aber die Fotos der letzten Reise zeigen, kommt Bewegung in die Bevölkerung. Plötzlich erkennen sich die Leute wieder auf den Bildern, welche in kürzester Zeit verteilt sind.
Das Nachtessen nehmen wir heute am Strassenrand bei einem Fleischhändler aus dem Niger ein. Er selbst verkauft zwar nur Fleisch. Dies hindert ihn aber nicht, von Nachbarständen genügend Reis, Couscous und Früchte und Brot für uns zu organisieren und uns göttlich zu bewirten. Die Abrechnung erfolgt dann aber wieder separat, eine Rechnung fürs Fleisch, eine fürs Getränk und eine für den Reis. Jeder kennt seinen Preis, kann aber nicht 2 Preise zusammenzählen!

Samstag, den 5.12.2009
Da wir frühzeitig in Richtung Sindou losfahren wollen, frühstücken wir beim Fleischhändler des Vorabends. Die Situation ist nicht für jedermann problemlos, da er am Tisch neben uns gleich 2 Ochsen zerlegt, deren Fleisch er noch gleichentags in Bobo auf den Markt bringen will. Die ersten 12 km sind wir noch auf einer Asphaltstrecke, dann verlassen wir diesen Belag für die nächste Zeit. Durch grössere und kleinere Dörfer wollen wir bis nach Sindou fahren. Die Strecke ist teilweise in schlechtem Zustand. Dies macht die Fahrt etwas anstrengender. Auch treffen wir auf einige sandige Passagen. Nach einer Reifenpanne kurz vor Mittag entscheiden wir uns, einen längeren Halt einzulegen. In der Hoffnung, dass die Hitze etwas abnimmt, verpassen wir aber den richtigen Zeitpunkt für die Weiterfahrt.
Ein Junge welcher mit seinem Rad vorbeifährt, holt uns im nächsten Dorf noch einige Bananen. Nach kurzer Diskussion stellt sich heraus, dass er uns bereits letztes Jahr in Sindou im Campement bewirtet hatte. Die grosse Hitze bringt uns zu einem weiteren Halt kurz vor Kankalaaba. Dort unterbrechen gleich 2 Fussballmannschaften ihr Spiel um uns zu bestaunen und mit uns zu diskutieren. Durch diese Begegnung wird es erneut später, und wir realisieren, dass es zeitlich noch knapp werden könnte bis Sindou.

Da wir unbedingt vor Einbruch der Dunkelheit eintreffen wollen, verzichten wir auf alle weiteren Halte und beeilen uns dementsprechend.
In Sindou treffen wir auf Souleymane, einen der Dorflehrer. Er bringt uns ins neue Campement der Association „terre des enfants“, wo wir die nächsten Tage bleiben werden. Da diese Unterkunft im Moment nur über 3 Rundhütten verfügt, muss ich mich mit einem Zelt begnügen. Die Rundhütten sind gut ausgerüstet, es gibt sogar eine Dusche drin. Leider existiert aber noch kein Wasseranschluss, so dass wieder die Freiluftdusche aus dem Eimer zum Zuge kommt. Das Wasser schöpfen wir aus 2 Fässern, welche jeden Morgen von einer Frau und ihren beiden Töchtern aufgefüllt werden. Die Dusche selbst besteht aus einem gemauerten Viereck von etwa 1.5 auf 1.5 m. Oben offen, gibt dieses auf einer Seite den Blick frei auf die Pics von Sindou, auf der anderen Seite blicken wir direkt unter den grossen Mangobaum. Über allem liegt ein klarer aber sehr dunkler Sternenhimmel. Da der Mond erst gegen Mitternacht kommt, können wir wieder einmal die Milchstrasse bewundern.
Solo erzählt uns beim Nachtessen, dass heute Abend im Dorf Maskentänze aufgeführt werden, dies zu Ehren eines kürzlich Verstorbenen. Dies lassen wir uns natürlich nicht entgehen und pilgern spät nachts noch ins Dorf. Mitten im Pulk von tanzenden Einheimischen fühlen wir uns mit der Zeit ganz wohl. Jeder von uns hatte innerhalb kurzer Zeit an jeder Hand mindestens 1 Kind. Dies hat mich leider nicht davon abgehalten, aus Unachtsamkeit bei der Dorfstrasse wie ein Hans-Guck-in-die-Luft in einen Kanalisationsschacht zu stürzen. Bis auf einige Schürfungen und 2 geprellte Finger blieb ich aber unbeschadet.

Sonntag, den 6.12.2009
Heute haben wir den ganzen Tag, um Sindou, das Dorf und die Bevölkerung kennen zu lernen. Souleymane führt uns von Dorfteil zu Dorfteil. Trotz seinen guten Informationen war die Führung durch Tiémoko im letzten Jahr einiges spannender. Hier werde ich wohl in den kommenden Jahren wieder auf ihn zurückgreifen.
Im Verlaufe des Tages beginnen die Tänze erneut. Deshalb sind auch Leute ins Dorf zurückgekommen, welche nicht mehr hier wohnen. Bei solchen Festanlässen kommen diese immer wieder zurück in ihr Dorf.
Nachmittags fahren wir in die Pics von Sindou. Wie jedes Jahr ist das Klettern in dieser Felsformation ein Erlebnis, welches nicht zu missen ist. Durch den tiefen Sonnenstand werden die Felsen in ein gelbliches Licht getaucht. Dahinter werfen die Felsen ihre langen Schatten bis weit in die Reisfelder hinein.

Montag, den 7.12.2009
Heute steht der Besuch der Schule auf dem Programm. Kurz nach 9 Uhr werden wir von der Primarklasse von Souleymane begrüsst. Seine 87 Erstklässler singen uns ein Lied. Unter den Kindern finden wir auch jenes Mädchen, welches uns heute Morgen noch zusammen mit ihrer Mutter und der Schwester Wasser ins Campement geschleppt hat. Auch die anderen Lehrer wollen uns begrüssen und uns ihrer Klasse vorstellen. So pilgern wir von Schulzimmer zu Schulzimmer. Oft zeigen uns die Kinder etwas, sei es, dass sie etwas vorlesen, oder an der Tafel eine Aufgabe lösen. So nett die ganze Situation auch ist, so bedrückender ist für mich aber die Chancenlosigkeit dieser Kinder! Wenn zwischen 80 und 140 Kinder in einer Klasse sitzen, jeweils nur gerade 1 Heft (zum Lesen und zum Schreiben) für je 3 Kinder da ist und nur wenige überhaupt ein Schreibzeug haben, dann kann ja keine seriöse Betreuung und kein grosser Lehrerfolg vorhanden sein. Auch die Lehrkräfte haben uns gesagt, dass sie teilweise mehrere Monate brauchen, um überhaupt alle Kinder kennen zu lernen.
Hinzu kommen die unzureichenden Gebäude. Jetzt in der Trockenzeit geht es, aber wenn es regnet, ist das Dach offensichtlich nicht dicht. Nach den Schulklassen besichtigen wir den Wasseranschluss. Diesen hatten wir nach der letzten Reise für die Schule finanziert. In der Zwischenzeit wurde der Anschluss mit einem gemauerten und abgeschlossenen Gebäude geschützt. Als letztes werden wir noch von den beiden Direktoren der Schulen A+B begrüsst. Auch sie betonen, wie wichtig Ihnen der Kontakt zu uns Europäern ist. Es ist nicht zu übersehen, dass Sie ganz eindeutig auf Hilfe von aussen angewiesen sind. Sie sind sich ihrer Situtation sehr wohl bewusst. Erstaunlich für mich ist, dass sich, soweit ich das abschätzen kann, etwa gleich viele Mädchen wir Jungs in der Schule sind. Offenbar nimmt der Anteil der Mädchen erst in den höheren Klassen etwas ab.
Am Nachmittag unternehmen wir einen Ausflug zum Staudamm von Niofila. Die Strecke führt zuerst an den Pics vorbei und zweigt noch vor Douma nach Norden ab. Da wir nicht genau wissen, wo sich der Staudamm befinden soll, fahren wir etwas auf Zufall durch die Reisfelder. Erst als wir feststellen dass zu unserer Linken das Gelände fast unnatürlich erhöht und der Weg ausgesprochen geradlinig ist, bemerken wir, dass wir uns seit längerem am Dammfuss befinden. Nur 10 m hinaufsteigen, und schon öffnet sich uns ein komplett neues und vor allem unerwartetes Bild. Bisher hatten wir eine Mischung aus Reisfelder, Steppe und Buschland um uns. Plötzlich liegt ein grosser See vor uns, aus welchem im Wasser viele Palmen hervorragen. Dazwischen staken Fischer mit Ihren kleinen Pirogen umher. Am Ufer wirft ein Junge geschickt sein Netz aus. Der Damm wurde offenbar von den Kolonialmächten für die Bewässerung der Reisfelder gebaut. Hätten wir ein derartiges kleines Paradies erwartet, so hätten wir mit Sicherheit unsere Badesachen eingepackt. Vielleicht war dies aber gerade gut so, denn im Nachhinein haben wir erfahren, dass es dort auch Krokodile hat. Ob das stimmt, konnte ich aber noch nicht nachprüfen.

Dienstag, den 8.12.2009
Heute verabschieden wir uns vorerst von Sindou und wollen weiter nach Westen, nach Niansogoni. Dieses Dörfchen liegt nur gerade 10 km von Mali entfernt. Als Dorf hat es eigentlich nichts zu bieten. Allerdings liegt oberhalb des Dorfes, in einem Felsen, die alte Zufluchtsstätte der Bevölkerung. Heute sind noch die alten Kornspeicher und Teile der alten Wohnungen erhalten. Da die Siedlung unter einem Felsvorsprung liegt, kommt kein Regen an die Gebäude. Wir treffen so gegen 13 Uhr in Niansogoni ein. Das Campement ist sehr einfach, es besteht aus ca. 10 Hütten, einem gedeckten Essensplatz und einem gemauerten Quader mit 2 Duschen und 2 Plumpsklos. Selbstverständlich besteht auch hier die ganze sanitäre Versorgung aus einigen hingestellten Eimern Wasser. Als technisches Highlight besitzt das Campement aber einen Kühlschrank, welcher durch ein Solarpanel gespeist wird. So können wir als erstes eine teilweise gefrorene Cola und ein kühles Bier trinken.
Ich bin noch nicht ganz sicher, ob wir morgen den gleichen Weg zurück nach Sindou nehmen wollen, oder ob wir eine neue Strecke weiter nördlich ausprobieren sollen. Deshalb fahre ich mit einer Teilnehmerin noch einige Kilometer weiter in Richtung Négeni. Zuerst geht alles gut, die Strasse ist breit und sehr gut befahrbar. Kurz nach Négeni hört die Strasse aber einfach auf und es folgt nur noch ein schmaler Fussweg. Dieser führt durch die Reisfelder. Vermutlich führt er wohl bis nach Faon, dem Zwischenziel, aber mit den Rädern ist bereits nach knapp 2 km Schluss, da stehendes Wasser in den Reisfeldern ein Weiterkommen praktisch unmöglich macht. Erst im Nachhinein erfahre ich, dass wir uns in Négeni weiter westwärts hätten halten müssen. Offenbar ist die Strecke doch gut fahrbar.
Gegen 4 Uhr kommt Richard, der lokale Führer, und begleitet uns hinauf zu den Kornspeichern. Er erzählt uns viel über die Geschichte des Dorfes. Offenbar waren die damaligen Bewohner aus dem heutigen Mali geflohen und hatten sich hier oben verschanzt. Erst etwa 1980 sind die letzten Einwohner hinunter ins heutige Dorf gezogen. Kurz vor 18 Uhr machen wir uns auf den Rückweg. Auf einer kleinen Felsenplatte machen wir Halt. Obwohl von oben kein Dorf und keine Hütte in der Steppe zu sehen ist, hören wir die Stimmen der Leute und das Stampfen der Hirsestöpsel der Frauen ganz deutlich. Auch hören wir viele Stimmen von Vögeln und anderen Tieren. Zusammen mit der untergehenden Sonne entsteht eine eigenartige Stimmung, welcher wir uns kaum entziehen können. Es ist eine fast schon unwirkliche Welt, die hier unter uns liegt. Praktisch mit Einbruch der Dunkelheit treffen wir wieder im Campement ein, wo uns Richard und seine Familie ein köstliches Poulet Yassa zubereiten.

Mittwoch, den 9.12.2009
Kurz vor der Abfahrt stelle ich erneut einen Plattfuss an meinem Rad fest. So verzögert sich die Rückfahrt nach Sindou nochmals. Da es sich aber nur um gut 34 km handelte, sind wir trotz vieler Pausen schon bald wieder in Sindou. Unterwegs haben wir unter einem grossen Mangobaum eine lange Rast gemacht. Die einzige Schwierigkeit war, einen Mangobaum zu finden, welcher nicht auch einen grossen Ameisenhaufen beschattet. Dass wir in dieser Gegend noch immer eine seltene Art von Touristen sind, zeigen uns die vielen Kinder, die unsere Mittagsrast in gebührendem Abstand verfolgen. Gut 20 Kinder sind vom nächsten Dorf hierher gerannt, um uns bei unserem Mittagsschlaf zu bestaunen.

Donnerstag, den 10.12.2009
Heute müssen wir Sindou definitiv verlassen. Wir beginnen langsam aber sicher mit dem Rückweg. Zuerst geht es aber noch auf die Post. Dort wollen wir unsere vielen Karten, die wir in den letzten Tagen geschrieben haben, aufgeben. Der Postbeamte ist geradezu überwältigt von so einem Ansturm. Da in Sindou bis vor wenigen Wochen noch gar keine Postkarten zu kaufen waren, ist seine Reaktion sehr verständlich. Da er etwas Zeit braucht, um so viel zu arbeiten, gibt er uns die Postzeitschrift von Burkina Faso zum Lesen. Unterwegs, in Wolonkonto, kehren wir am Strassenrand bei einer Bauernfamilie ein. Nach etwas Diskussion erhalten wir Reis mit Sauce und etwas zu trinken. Dabei lernen wir auch 2 Lehrer der lokalen Schule kennen. Die beiden haben Mittag und verbringen die Zeit zwischen 12 Uhr und 15 Uhr gemeinsam mit einem zufällig anwesenden ehemaligen Schüler. Dieser arbeitet heute als Agronom. Bei den Diskussionen geht es um den Aufbau einer Verarbeitungsindustrie für die lokale Baumwollproduktion. Offenbar gibt es ein taiwanesisches Projekt für eine solche Fabrik. Die Diskussion wird aber leider etwas erschwert, da alle 3 ihre Sorgen mit reichlich Bier ertränken.
Schon früh, d.h. so gegen 15 Uhr treffen wir in Tengréla bei Seydou Tou ein. Dieses schöne Campement liegt nahe am See von Tengréla, so dass wir noch gleichen Abends zusammen mit dem Sohn von Seydou mit einer Piroge hinausfahren. Schon nach kurzer Zeit kommen wir zu einer grösseren Gruppe von Hippos, welche uns allerdings recht kritisch beäugen. Zum Glück hält unser Pirogier eine Distanz von gut 20 m zu den Tieren ein. Trotzdem fühlen sich einige von uns nicht recht wohl in dieser Nussschale, welche natürlich auch nicht ganz dicht war. Während die Einen laufend Wasser schöpfen, halten die Anderen kritisch Ausschau nach den teilweise abgetauchten Hippos. Leider verhüllen erstmals an diesem See grösserer Wolken die Sonne, so dass wir auf den Sonnenuntergang auf dem See verzichten müssen.

Freitag, den 11.12.2009
Heute ist der Unabhängigkeitstag von Burkina Faso. Bereits in Sindou hatten wir von Ferne Marschmusik gehört. Solo hatte uns erklärt, dass sich eine Delegation von Sindou für die grosse Festparade in Banfora vorbereitet. Genau zu dieser Parade wollen wir natürlich heute. So sind wir schon gegen 10 Uhr in Banfora. Bald finden wir auch den Festplatz. Viele Leute säumen die Strasse, welche durch Polizisten freigehalten wird. Die ganze Parade ist zwar sehr militärisch aufgezogen, allerdings läuft es sehr afrikanisch ab. So marschieren nicht nur Militär und Polizei, sondern auch Feuerwehrleute, Krankenschwestern, Bauern, Frauenhilfsorganisationen, Selbsthilfegruppen etc. mit im Umzug. Ja, der grösste Teil der Teilnehmer sind lokale Organisationen und Gruppierungen. Erst hier wird mir etwas klarer, wie viele derartige Selbsthilfegruppen es effektiv gibt. Kaum ein Thema, das nicht vertreten ist. So gibt es offenbar auch Strassenreiniger, Aidsberater, kirchliche Organisationen, Zuckerfabrikanten, Cashewnussorganisationen und vieles mehr. Ein buntes und fröhliches Treiben, permanent untermalt durch einen viel zu lauten und nicht verständlichen Lautsprecher sowie einer freudig winkenden Menschenmenge, welche immer wieder versucht, die Polizeiabsperrung zu durchbrechen.
Am Nachmittag versuchen wir noch, in der Joghurtfabrik etwas zu bekommen. Leider ist die zuständige Person gerade im Spital. So treffen wir uns in einem anderen Strassencafé und geniessen dort ein lokales Joghurt.

Samstag, den 12.12.2009
Da wir noch Lebensmittel einkaufen wollen, fahren wir zuerst von Tengréla nach Banfora hinein. Zudem will ich noch abklären, ob die Möglichkeit besteht, am kommenden Dienstag von Banfora nach Bobo den Zug zu nehmen. Gemäss diversen Angaben sollte der Zug am Dienstag fahren. Auf dem Bahnhof wird mir jedoch mitleidig mitgeteilt, dass der Zug mindestens 24 h Verspätung haben wird, d.h., dass er nicht vor Mittwoch fahren wird. So wird dann diese Reiseoption ins Wasser fallen. Von Banfora fahren wir durch die Zuckerrohrfelder nach Fabédougou zu den Kuppelbergen. Diese Felsformation ist an sich zwar schön anzusehen. Da es dort aber keinerlei Schatten spendende Bäume oder Unterstände gibt, ist die Kletterei in den Domes immer sehr heiss und dementsprechend anstrengend. So sind alle froh, dass wir die Besichtigung nur kurz machen und uns nachher den Cascaden von Karfiguéla zuwenden. Die Cascaden sind eine Serie von kleineren und grösseren Wasserfällen, wo sich ein kleines Flüsschen eindrücklich über eine Felskante hinunter zu den Reisfeldern stürzt. Dazwischen bilden sich viele kleine Weiher und Rinnsale. Hier können wir uns gut abkühlen und während dem süssen Nichtstun in Gedanken einmal die letzten 2 Wochen vorbei ziehen lassen.

Sonntag, den 13.12.2009
Sonntag ist Markttag in Banfora. Somit ist klar, dass wir uns dieses Grossereignis nicht entgehen lassen. Obwohl auch sonst in Banfora viel los ist, ist der Markttag immer wieder ein Grosskampftag für die Händler. Es ist unglaublich, was und in welchen Mengen hier alles angeboten wird. Entgegen den Märkten in Bobo oder sonst auf dem Land scheint es sich hier vor allem um einen Lebensmittelmarkt zu handeln. Es wird auch im grösseren Stil ver- und gekauft. So haben wir abends mit einem Händler gesprochen, der gleich sackweise Kohlköpfe verkauft hat. Pro Sack hatte er ca. 20 Köpfe, für welche er insgesamt etwa 1000 CFA/Sack erhielt (ca. 1€ 50). Zum Vergleich: eine Mahlzeit Reis am Strassenrand kostet etwa 300 CFA.
Ich kann nun die Gelegenheit wahrnehmen, einmal ein Internetcafé aufzusuchen und einige Mails loswerden. Zudem muss ich noch den Bustransport für diejenigen organisieren, welche am Dienstag nicht per Rad nach Bobo zurückfahren wollen. Kurz nach Mittag finden wir uns alle wieder beim Joghurtrestaurant ein. Für einen längeren Marktbesuch ist es einfach zu heiss. Nach einem gemütlichen Mittagessen fahren wir zurück ins Campement. Da es auch dort noch sehr heiss ist und es keine wirkliche Möglichkeit gibt, sich hinzulegen (in den Hütten ist es zu heiss), beschliessen wir, uns etwas in die Reisfelder zurückzuziehen. Dort ist es viel weniger heiss als in den Dörfern. Zudem kommen und gehen dort immer Leute vorbei, was zu interessanten Begegnungen führt. Beim Hinfahren nehme ich z.B. einen etwa 10 jährigen Jungen mit. Er erzählt mir, dass er jetzt in die abgeernteten Reisfelder gehe, um dort seine Rinder zu weiden. Die Mädchen hingegen seien heute alle beim letzten Reisfeld, welches noch Wasser hat. Dorthin haben sich nämlich alle Fische zurückgezogen, nachdem die anderen Reisfelder trocken gelegt wurden. Jetzt sammeln die Mädchen die Fische mit blossen Händen ein.
Jugendliche machen uns auf ein Fussballspiel aufmerksam, welches in der Nähe stattfinden soll. Natürlich gehen wir mit und unterstützen die Lokalmannschaft. Auch wenn die Spieler meist keine Sportausrüstung haben, barfuss oder in Plastiksandalen spielen, und es auch keine Feldmarkierungen gibt; der Einsatz der Spieler und das Mitfiebern der Zuschauer zeigt uns, dass derartige Nebensächlichkeiten nicht so wichtig sind. Selbst für das abschliessende 11m- Torschiessen muss der Schiedsrichter den Penalty-Punkt immer wieder neu definieren.

Montag, den 14.12.2009
Heute ist wieder eine Radtour angesagt. Via Banfora geht es auf der Hauptstrasse in Richtung Bobo Dioulasso. Nach rund 20 km biegen wir links ab nach Bérégadougou, einem Dorf, welches etwas auf einer kleinen Anhöhe liegt. Bis vor kurzem war der einzige Arbeitgeber im Dorf die alles beherrschende Zuckerfabrik gewesen. Da jene Arbeitsplätze aber sehr saisonabhängig sind, haben die Frauen des Ortes eine Selbsthilfeorganisation aufgebaut. Je nach Saison trocknen sie nun Mangos oder verarbeiten Cashew-Nüsse. Ziel unseres heutigen Trips ist genau diese Organisation, die Association WOUOL. Bis zu 800 Personen sind  während der Mangosaison angestellt, rund 80 zur Zeit der Cashew-Verarbeitung. Die Organisation ist gross genug, um auch einen Lehrer anzustellen, welcher sich um die Weiterbildung, sprich Alphabethisierung der Erwachsenen kümmert. Wir werden vom Direktor, Antoine Sombié herzlich empfangen. Er organisiert umgehend eine kleine Sitzung, wo er uns alle Kadermitarbeiter vorstellt. Anschliessend führt uns der zuständige Qualitätsverantwortliche durch den gesamten Produktionsprozess. Erst bei diesem Rundgang wird uns klar, wie aufwändig die Herstellung von Cashewnüssen ist! Trotzdem glaubt WOUOL, dass noch viel mehr produziert werden könnte, wenn genügend Absatzkanäle vorhanden wären. (In Ouaga werden wir später erfahren, dass auch Qualitätsprobleme limitierende Faktor sind.) Es gibt offensichtlich weitere Aspekte, die die Ausweitung der Produktion behindern. So sind z.B. fast keine Getränkeflaschen zu erhalten um Mangosaft darin abzufüllen und lokal zu verkaufen. Nach einem kleinen Einkauf im Verkaufsladen kehren wir nach Bérégadougou zurück und suchen uns in einem kleinen Restaurant noch etwas Essbares. Wir bestellen 3 Hühnchen, welche gleich nach der Bestellung im Hühnerhof hinter dem Lokal gefangen und zubereitet werden. Nach rund einer Stunde Wartezeit erhalten wir 3 frische „poulets bicyclettes“ auf den Teller. Die Rückfahrt führt uns nicht mehr über die Hauptstrasse, sondern entlang den Zuckerrohrfeldern auf Pisten und Schotterwegen, vorbei an den Domes von Fabédougou, den Cascaden und durch die Reisfelder direkt zurück ins Campement von Tengréla.
Am Abend erbitte ich von Seydou noch die Abrechnung. Doch obwohl er seit mehreren Jahren sein Campement mit Erfolg führt, und neuerdings auch noch eine Mangoplantage hat, benötigt er im Schweisse seines Angesichts mehr als 1 Stunde, um rund 7 Blätter mit je etwa 5 bis 8 Positionen zusammen zu zählen. Trotz Taschenrechner und mehreren Versuchen verrechnet er sich immer wieder. Hier wird erneut klar, wie wichtig es ist, dass alle Leute eine einfache Schulbildung bekommen und zumindest ganz einfache Rechnungen und Schreibarbeiten ausführen könnten.

Dienstag, 15.12.2009
Heute fahren wir zurück nach Bobo Dioulasso. 3 Teilnehmerinnen bevorzugen den Bus, da Ihnen die Strecke zu lang ist, oder aber nicht zusagt. Sie wollen aber einen normalen Bus, nicht ein einfaches Buschtaxi. So fahren wir zuerst gemeinsam nach Banfora zum Busbahnhof. Problemlos können wir vor Ort alles organisieren und bereits kurz nach 8 Uhr sind wir zu viert unterwegs in Richtung Bobo. Allerdings kündigt sich bereits kurz nach Banfora ein hartnäckiger Gegenwind an. Er wird uns noch den ganzen Tag über penetrant begleiten.
Nach rund 20 km steigt die Strasse auf rund 6 km leicht an. Da mir mein Knie unerwartet Schwierigkeiten macht, merke ich zuerst gar nicht, dass 2 Teilnehmerinnen plötzlich langsamer werden. Doch kurz darauf stellt sich heraus, dass zumindest 1 meiner Kolleginnen heute etwas Mühe hat. Offenbar hat sie schlecht geschlafen und jetzt beginnt der Magen, zu rebellieren! Obwohl wir Sie natürlich bald von einem Teil ihres Gepäcks entlasten, ist es für sie sehr schwierig, weiter zu fahren. Nach einigen Pausen erreichen wir nach etwa 50 km gegen Mittag Péni, eine kleine Stadt. Im Dorfrestaurant rasten wir etwas unter einem grossen Mangobaum, notabene einem der ganz wenigen Bäume, die in dieser Jahreszeit Früchte tragen. Als die Leute vor Ort mitbekommen, dass sich eine unserer Mitreisenden Unwohl fühlt, wird ihr sofort eine Matratze gebracht. So kann sie sich mitten im Restaurant auf den Boden legen und versuchen, etwas zu schlafen. Wir anderen stärken uns noch mit Reis und Cola, bevor es nach rund einer Stunde wieder weiter geht.
Trotz der Schwierigkeiten und einer weiteren Reifenpanne erreichen wir Bobo gegen 16 Uhr. Leider erhalten wir nicht die vorbestellten Zimmer, wobei die neuen jedoch auch akzeptabel sind. Trotzdem möchte ich mich für die Zukunft nach einer anderen Unterkunft umsehen. Das bisherige Hotel liegt zwar sehr gut, ist aber oft recht laut und die Zimmerqualität ist sehr variabel. So entschliesse ich mich nach einer kurzen Dusche, mich nochmals aufs Rad zu schwingen und mir eine Unterkunft etwas ausserhalb von Bobo anzusehen. Diese wurde mir von einem französischen Pärchen unterwegs als Geheimtipp empfohlen. Ich habe einen guten Eindruck von der neuen Unterkunft, und zudem habe ich festgestellt, dass man dort auch essen kann. Dies wollen wir gleich an diesem Abend ausprobieren. Da aber niemand mehr Lust hat auf eine Radtour durch den Sand bis zu jenem Lokal, beschliessen wir 2 Taxis zu nehmen. Nun, Taxis bestellt man in Bobo nicht, sondern hält diese einfach an und steigt zu, wenn noch Platz ist. Das Taxi fährt dann eine Destination nach der anderen an. So wundere ich mich auch nicht, als ich mit der zweiten Gruppe ankomme und die Erste noch nicht da ist. Sie mussten noch irgendwo in Bobo eine Matratze abliefern; zudem kannte der Taxifahrer das Restaurant gar nicht. Da es auch keine Strassennamen gibt und keine Strassenbeleuchtung existiert (die Autos haben sowieso kein Licht), ist es oft reiner Zufall, bis jemand der neuen Fahrgäste das eigene Ziel kennt und dann den Weg weist. So kommen auch hier am Schluss alle gut an. Für die Rückfahrt setzen wir uns dann der Einfachheit halber gleich alle 6 zusammen in ein einziges Taxi.

Mittwoch, 16.12.2009
Nachdem alle wieder einigermassen gesund sind, beschliessen wir, trotzdem eine Kurzversion des ursprünglich vorgesehenen Programms durchzuführen. Wir wollen über eine neue Strecke zuerst zum Dorf Koumi, anschliessend in den Wald von Kou und am Schluss noch kurz im Fluss etwas baden. Kurz nach dem Flughafen von Bobo zweigen wir auf eine neue Strecke ab. Diese ist sehr schön und ohne Verkehr. Leider folgen im zweiten Teil einige happige Sandstrecken, wo teilweise nur noch Schieben angesagt ist. Das Dorf Koumi ist erneut eine Enttäuschung. Die Führung ist schwach, und neuerdings muss trotz einem Eintrittsgeld und einem Betrag pro Fotoapparat jedes Mal neu verhandelt werden, wenn sich Personen auf dem Bild befinden würden. In Zukunft werde ich dieses Dorf nicht mehr im Programm berücksichtigen.
Durch die misslungene Führung in Koumi ist die Stimmung etwas gedrückt als wir uns in Richtung Wald von Kou aufmachen. Zudem ist es heiss und die Piste ausgesprochen rauh, d.h., sehr holprig. So kommen wir bereits müde und geschafft am Eingang des Waldes an. Dort erfahren wir dann auch noch, dass es nichts zu trinken mehr hat, was unsere Stimmung nicht gerade anhebt. Natürlich ist auch die Führung durch den Wald nicht besonders, oder wir sind einfach nicht mehr bereits, noch etwas aufzunehmen. Auch kommen einzelne Teilnehmerinnen körperlich etwas an ihre Grenzen. Vom Führer im Wald erfahre ich dann, dass es auch möglich ist, auf der hiesigen Seite des Waldes im Fluss zu baden. Damit können wir uns den Weg zur Brücke sparen und uns direkt zum Fluss aufmachen. Die Strecke ist dann aber doch länger als erwartet und zudem auch sandiger. Trotzdem erreichen wir am Schluss den Fluss und können länger als 1 Stunde gemütlich darin baden.
Da wir abends das Strassentheater Hakili So besuchen wollen, müssen wir uns rechtzeitig auf den Weg zurück machen. Dieser führt über eine lange Zeit ganz leicht bergauf, zudem haben einige die am morgen gefahrene Strecke unterschätzt. So gestaltet sich die Rückfahrt doch noch recht happig und wir kommen ziemlich müde in Bobo an. Dies hält uns aber dennoch nicht davon ab, noch beim Bahnhof einzukehren und uns die schöne Kolonialarchitektur des Bahnhofgebäudes zu Gemüte zu führen. Um 20 Uhr holt uns Adama Batoe, der Leiter des Strassentheaters Hakili So, ab. Während ich mich hinten auf sein Moped setze, quetschen sich die anderen 6 in ein kleines Taxi. Irgendwo hinter dem Bahnhof treffen wir auf die Theatergruppe. Mitten auf der Strasse werden 2 Theaterstücke gezeigt, eines auf Französisch, das andere in Dioula.
Inhaltlich ging es um Fragen zu Aids und um die Einschulung von Mädchen. Trotz unserer Müdigkeit geniessen wir dieses intensive Theatererlebnis mitten in einer Hundertschar von Leuten aller Altersgruppen, von den ganz Kleinen bis zu Grossmüttern. Deren Reaktionen auf die Stücke sind eindeutig und klar auf Ihren Gesichtern abzulesen. Es ist offensichtlich, dass die beiden Stücke die Leute stark zum Nachdenken bringen und sehr aktuelle Probleme aufgreifen.

Donnerstag, 17.12.2009
Heute ist die Rückfahrt nach Ouaga vorgesehen. Da der Busbahnhof sehr nahe beim Hotel liegt, haben wir die Abfahrt erst auf 12Uhr angesetzt. Dadurch können einige noch das Musikinstrumentenmuseum besuchen. Es scheint sich wirklich gelohnt zu haben, denn die Teilnehmerinnen sind richtig begeistert. Die restlichen Teilnehmerinnen sind entweder im/um das Hotel geblieben oder haben die Zeit genutzt, nochmals den grossen Markt zu besuchen. Da der Bus nicht ausgelastet war, können wir alle 7 Räder in dem gleichen Bus transportieren und dann in Ouaga gemeinsam zurück zum Hotel fahren.

Freitag, den 18.12.2009
Gegen 7 Uhr morgens verlassen wir das Hotel und spazieren zum Königspalast. Dort verfolgen wir interessiert den Aufmarsch der Noblen und Subnoblen. Punkt 8Uhr beginnt die effektive Zeremonie und dauert gerade mal 15 Minuten. So sind wir bereits um etwa halb 9 wieder im Hotel, wo wir das Frühstück in aller Ruhe einnehmen können. Anschliessend fahren wir zuerst zu Gebana Afrika, dem Sitz der Fair-Trade Organisation, welche uns den Besuch in Bérégadougou ermöglicht hat. Hier können wir nochmals getrocknete Mangos, Cashewnüsse und Bissap-Sirup einkaufen. Nach einer kurzen Diskussion mit dem Direktor über die aktuelle Handelslage für Fair-Tirade-Produkte aus Burkina Faso fahren wir weiter zum Village artisanal. Hier sehen wir nochmals viele der Handwerkstechniken, welche wir während den letzten 3 Wochen in den Dörfern und auf den Märkten gesehen haben. Auch können wir jetzt endlich noch Geschenke einkaufen.
Zurück im Hotel erfahren wir, dass der Rückflug für eine Teilnehmerin von heute Abend auf morgen früh verschoben wurde. Damit haben wir die Möglichkeit, in aller Ruhe gemeinsam im „La Fôret“ das Nachtessen einzunehmen. Obwohl alle ziemlich genug haben von dem eintönigen Essen der letzten 3 Wochen wählen doch alle nochmals ein typisches afrikanisches oder gar burkinabisches Gericht!

Samstag, den 19.12.2009
Für den letzten Tag haben wir uns in 2 Gruppen aufgeteilt. Ein Teil möchte keine weitere Radtour mehr machen. Vielmehr möchten sie das Nationalmuseum in Ouagadougou ansehen. So fahren wir nach dem Frühstück zuerst alle zu diesem Museum. Es befindet sich am östlichen Rand der Stadt.
Mit der zweiten Gruppe wollen wir zu den Seen östlich von Ouagadougou fahren. Abends stellen wir fest, dass sich sowohl der Ausflug zu den Seen als auch der Museumsbesuch gelohnt hat.

Schon kurz nach 20 Uhr sind wir am Flughafen und beginnen mit dem Einpacken der Räder. Recht problemlos gelingt uns das Aufgeben des Gepäcks und dann heisst es nur noch warten, bis der Flieger startet. Er wird uns zurück ins kalte Europa bringen. Dort erwarten uns rund 50°C tiefere Temperaturen als wir noch heute Nachmittag in Ouagadougou hatten.

Schlussbemerkung: Die diesjährige Reise war recht intensiv in Bezug auf die Eindrücke, welche wir erlebt haben. So reihte sich ein Highlight an das Andere – Krokodile – Opferstätten – Essen am Strassenrand – Schule und Kindergarten von Sindou – Pics, Kaskaden und Domes – Sonnenuntergang in Niansogoni – Hippos – Parade und Markt in Banfora – Cashew-Produktion – Strassentheater, etc.. Viele dieser Eindrücke müssen nun im Nachhinein noch verarbeitet werden.
In diesem Sinne ist die Tour durch Burkina Faso nicht in erster Linie eine Fahrradtour von rund 700 km, sondern vor allem eine Tour, wo wir Afrika Erleben können. Afrika – Erleben heisst hier neben all diesen Eindrücken und vielen persönlichen Kontakten zu fröhlich winkenden Leuten aber auch Schwitzen – Staub – kein Wasser zum Duschen und oft einfache sanitäre Einrichtungen. Genau diese Kombination macht aber auch der Reiz dieser ganz speziellen und eindrücklichen Reise aus.

Ganz zuletzt möchte ich mich bei meinen Mitfahrerinnen herzlich bedanken. Sie behielten eigentlich immer eine gute Laune und machten alle Ausflüge und Programmänderungen problemlos mit. Selbst etwas sandigere Strecken haben sie mir nicht allzu übel genommen und hielten tapfer durch. Auch knurrende Mägen oder etwas eintöniges Essen wurden klaglos akzeptiert. Mit so einer Gruppe lassen sich solche Aktivferien problemlos meistern.

Vielen Dank.
Ruedi, Oberwil, den 8. Januar 2010

An den Anfang scrollen