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Burkina Faso 2012 Was ist nun, nach 3 Jahren, anders?

Marianne U. hat im Januar 2012 -mit 3 Jahren Abstand- die Burkina Faso Radtour zum zweiten Mal mitgemacht und diesen ganz wunderbaren Bericht geschrieben.

Burkina Faso 6.1. – 27.1.2012

Die Überschrift über meinem Bericht über die 2. Reise nach Burkina Faso heißt natürlich: Was ist nun, nach 3 Jahren, anders?

Da fangen wir doch gleich mal mit den Äußerlichkeiten an: Der Flug mit Air France von München über Paris war schon mal wesentlich komfortabler. Statt umständlichem Transportieren des Radkartons mittels Kurierdienst, langwierigem Suchen des Rades in Frankfurt, stundenlangem Warten in Casablanca auf den Anschlussflug gab es diesmal bequemen Vorabend-Check-In am Münchner Flughafen und am nächsten Morgen geruhsames Eintrudeln zum Abflug. In Niamey traf sich dann im wartenden Flugzeug die Gruppe. Aus dem Nichts knäulten sich plötzlich sechs Menschen in der Maschine zusammen und gaben sich als Mitglieder der Gruppe zu erkennen. Natürlich war auch die Ankunft am Nachmittag wesentlich angenehmer als die um 3 Uhr früh. Nach dem freudigen Wiedersehen mit R. konnte ich dann gleich wieder den Verkehrswahnsinn in Ouaga erleben. Im Hotel angekommen, folgten ein erstes kühles Bier, auspacken, duschen und dann wie gehabt zum Senegalesen. Poulet Yassa stand auf der Karte. Da Flügel und Brustfleisch der Hühnchen für sieben Personen nicht ausreichten, bekamen G. und ich ein gesamtes Gerippe serviert. Das ohne Messer zu essen war dann schon die zweite afrikanische Herausforderung. Natürlich habe ich mir prompt die erste Garnitur meiner äußerst sparsam mitgenommenen Kleidung versaut.

Samstag, 7.1.
Gleich am nächsten Vormittag gab es schon die nächste Neuheit: Zur Erprobung von Mensch und Material gab es eine Ouaga rundfahrt. Zuerst ging es in den Bois de Bologne de Ouaga, wo G. eine böse Überraschung erlebte: Er bescherte uns den ersten (und wie sich herausstellen sollte einzigen) Platten der Tour. Große Augen machten wir alle, als sich herausstellte, dass sein Radlmechaniker den Schlauch total verdreht montiert hatte. Das hatte ich weder in Burkina Faso noch sonst irgendwo schon einmal erlebt. Anschließend besichtigten wir eine Abfalltrennungsanlage. Die rief zwei gegenläufige Gefühle in mir hervor. Zum einen war es erschreckend zu sehen, wie mager die Ergebnisse noch sind. Andererseits war schon mal ein dringend nötiger Anfang gemacht, und es kann ja nur besser werden.

Sonntag, 8.1.
Nachdem wir und unsere Räder die „Belastungsprobe“ bestanden hatten, ging es am nächsten Tag raus zu den heiligen Krokodilen. Da staunte ich nicht schlecht: Ouaga  wächst in kaum vorstellbarem Ausmaß. Kilometerlang reiht sich eine Lehmhütte in allen Stadien des Entstehens an die andere. Ohne Infrastruktur, im wahrsten Sinn des Wortes aus dem Boden gestampft, stehen sie da, aber dafür mit Ortsschildern an der Piste, die allerdings für uns wenig Informationswert hatten. Auch bei den Krokos konnte ich Veränderungen beobachten. Die Show wurde deutlich ausgebaut, Schautafeln zeigten den Lebenslauf der Krokodile, und die Führer hatten sich weitere Einlagen bis zum Tod des Opferhühnchens ausgedacht. Am Ausgang des Geländes hockte ein Mann mit einem Webstuhl und zeigte die Technik des Webens. Insgesamt war es schon etwas touristischer geworden.

Montag, 9.1.
Eine ebenfalls angenehme Überraschung war die Busfahrt am nächsten Tag nach Bobo Dioulasso: Bei dem neuen Transportunternehmen ging es nun bedeutend zivilisierter zu. Die Räder wurden an den sensiblen Stellen gegen einen geringen Aufpreis mit Pappe abgedeckt, die Räder wurden meist aufrecht in die Ladeluken gestellt und es wurde auch nicht so gnadenlos nachgetreten, wenn es mal irgendwo hakt. Insgesamt ein wesentlich ruhigerer und geordneterer Betrieb. In Bobo angekommen war schon wieder etwas Neues dran: An Stelle des Hotels in der Stadtmitte waren wir im Zion, einem kleinen gemütlichen und ruhigen Campement untergebracht. Geführt wird das Ganze – man höre und staune – von Odile, einer 19-jährigen Einheimischen. Der einzige Nachteil dieser Unterkunft für mich ist die Tatsache, dass sie auf dem Berg liegt.

Dienstag, 10.1.
Am nächsten Tag fuhren wir in den Wald von Kou. Auch das war für mich neu, da ich bei meiner ersten Burkinareise wegen Unpässlichkeit nicht dabei war. Auf der langen, bergab führenden Sandpiste (mir graute bereits vor der Rückfahrt in der Hitze) kamen wir noch an einer Schule vorbei und durften miterleben, wie 94 Kinder gerade das „ê“ lernten. Der Wald war wildromantisch und der Führer erklärte uns die Flora der Gegend. Dann kam das Highlight des Tages: Baden und Picknick am Fluss Kou. Herrlich erfrischend war es, sich im kühlen Wasser zu aalen. Und dann erst unsere erste Brotzeit! Da habe ich gelernt, dass es ratsam ist, die Männer einkaufen zu lassen. Während wir damals von Obst, Gemüse und Brot gelebt hatten (R. hat immerhin fünf Kilo auf dieser Tour abgenommen), gab es nun Paté de Canard, Cornedbeef, Thunfisch, Ölsardinen und Obst, Gemüse und Brot. Immer dabei waren Erd- und Cashewnüsse. Ein Hoch auf unsere Feinschmecker!
Dann ging es zurück, zum Glück auf einer anderen Strecke. Wir hatten uns statt der Sandpiste für eine wenig befahrene Teerstraße entschieden. Zurück in Bobo gab es erst mal ein kühles Getränk und dazu äußerst aufdringliche Straßenhändler.

Mittwoch, 11.1.
Am nächsten Morgen hatte ich erst einmal Probleme: Meine Latschen waren weg, ohne dass ich dafür eine Erklärung hatte. Auch als M2. zum Frühstück kam und etwas von einem afrikanischen Zehenzwicker erzählte, reagierte ich nicht. Erst nach einiger Zeit erinnerte ich mich, dass ich nachts beim Rückweg von der Toilette aus Versehen in die falsche Hütte geraten war, und beim Schlüpfen unter das Moskitonetz „meinen“ Platz besetzt vorgefunden hatte. Bei meiner Flucht hatte ich offensichtlich meine Latschen stehen gelassen. So hatten alle etwas zum Lachen und ich meine Latschen wieder.
Dann ging es zum Fetisch von Dafra. Der Führer hatte das Opferhühnchen schon mitgebracht, was bedeutete, dass wir uns diesmal nicht herauskaufen konnten. Diesmal wollte der Fetisch schon Blut sehen und nicht nur die CFA. Dafür hätten wir das Hühnchen auch essen dürfen, das, während wir die heiligen Welse mit den Innereien und Brot fütterten, auf dem Feuer gebraten worden war. Nur G. und M2. machten Gebrauch davon. Ihre Begeisterung hielt sich allerdings sehr in Grenzen. Die Welse werden übrigens niemals gegessen und wenn mal einer verendet, wird er wie ein Mensch begraben. Auf dem Rückweg gab es wieder eine Lehrstunde der afrikanischen Art: Frauen trugen auf diesem Weg aus einem benachbarten Tal auf dem Kopf Holz zu einem Sammelplatz, wo das Holz dann von den Männern per Eselkarren weiter transportiert wurde. Wir beobachteten wie einer Frau, die bereits ein großes Bündel auf dem Kopf trug, ein Fahrrad aufgepackt wurde. Doch damit nicht genug: Auf das Fahrrad schichtete ihr Mann auch noch einige Holzknüppel. Auf die Frage von R., warum denn nicht auch die Männer sich an der Tragearbeit beteiligten, wurde ihm beschieden: Die Männer seien müde. Da können doch auch deutsche Machos noch etwas lernen. Wir alle lernten indes, im Falle einer Wiedergeburt, niemals als Frau in Burkina Faso auf die Welt zu kommen.

Donnerstag, 12.1.
Für den nächsten Tag winkten die 85 Kilometer nach Orodara. Zum Glück wurde das Dorf Kou, das ich in denkbar schlechter Erinnerung habe, aus dem Programm gestrichen. Wegen des guten Rückenwinds ging es flott voran. Ab Mittag wurde es wegen der Hitze dann aber doch mühsam. Wir kamen am Nachmittag im Hotel an, und nach Bezug der Zimmer und einer herrlichen Dusche pilgerten wir zum Abendessen in den Ort.
Apropos Essen: In meiner Erinnerung bestand das Essen in Burkina aus Reis mit Soße. Nun sind Essensangebote wesentlich häufiger anzutreffen und sehr viel verschiedenartiger. Reis mit Soße habe ich nur ein einziges Mal gegessen, am letzten Tag, als wir uns nicht mehr aufraffen konnten, in die Stadt zu gehen. Der neueste Hit ist Lamm im Zementsack: Da wird klein geschnittenes Lammfleisch gewürzt und mit Zwiebeln garniert in ein Stück eines Zementsackes gewickelt und dann gegrillt. Schmeckt unheimlich lecker! Nur G. konnte dem Ganzen keinen Genuss abgewinnen. Er hatte ein Päckchen erwischt, das nur Knochen enthielt.

Freitag, 13.1.
Für den nächsten Tag stand die Fahrt nach Moussoudougou auf dem Programm. Ich freute mich schon auf die Fahrt durch die schattigen Alleen und vor allem auf meine Wichtelhäuser, die eigentlich Kornspeicher heißen. Beim Rundgang durch das Dorf entdeckten unsere Männer einen Kicker. Da mussten sie natürlich mitspielen. S. und ich fanden das nicht so prickelnd und stromerten noch ein wenig im Dorf herum. Unter einer Baumgruppe sahen wir eine Versammlung von rund 30 lachenden und schnatternden Frauen im besten Festtagsgewand. Vorsichtig pirschten wir uns heran – vielleicht gibt es ja ein schönes Foto. Doch rasch hatten uns die Frauen erspäht und winkten uns gestikulierend heran. Noch unsicher näherten wir uns der Gruppe. Wortreich wurden wir aufgefordert in den Kreis zu treten. Da wir jedoch beide kein Französisch sprechen, wussten wir nicht, was von uns erwartet wurde. Mühsam kramte ich meine paar Vokabeln aus dem Volkshochschulkurs zusammen und stellte mich vor. Dann wurde ein Mädchen herbei gerufen, das angeblich Englisch konnte. Doch auch das brachte uns nicht weiter. Die Kleine war extrem schüchtern und konnte soviel Englisch wie ich Französisch. Dann stieß ein Mann zu uns, von dem ich immerhin erfuhr, dass die Frauen über Hühner redeten. Erst als sich R. zu uns gesellte, kam Licht ins Dunkel: Wir waren bei der Gründungsversammlung einer Kooperative zur Hühnerzucht und Eierproduktion, die dazu führen soll, dass die Ernährung im Dorf besser wird.
Anschließend führte uns der Wirt des örtlichen Lokals noch zu seinem eigenen Hühnerzuchtbetrieb und erklärte uns seine Probleme, dass er nicht genügend Geld habe, um das erforderliche Futter zu kaufen. Zum Schluss fing er einen prächtigen Hahn heraus – ein Geschenk für uns. Wir hatten große Mühe im klar zu machen, dass wir den Hahn absolut nicht annehmen konnten, und er war sichtlich betroffen über unsere Ablehnung seines Geschenkes. Wahrscheinlich konnte er es wirklich nicht verstehen, denn die Burkinabé transportieren ohne Mühe zehn und mehr Hühner an den Füßen zusammengebunden, kopfunter auf einem Fahrrad – mal wieder zwei echt afrikanische Erlebnisse.
Nun trat M1. auf den Plan: Er hatte etwas von einem Stausee gehört und wollte da unbedingt hin, er könne ja Viecher finden. Die Ortsbeschreibungen und Entfernungsangaben, die wir auf Anfragen erhielten, waren recht afrikanisch vage. So machten wir uns auf den Weg und fanden den Stausee tatsächlich. Es war recht schön dort und wir benutzten die Gelegenheit gleich für unser Picknick.

Samstag, 14.1.
Heute ist schon Samstag, das heißt, wir sind schon über eine Woche in Afrika. Nach ca. zehn Kilometern werden wir die Teerstraße verlassen und auf die Piste nach Sindou einschwenken. Die Piste ist wesentlich schlechter als ich sie in Erinnerung habe. Rüttelplatten wechseln sich mit Sandlöchern ab und immer wieder gibt es Felseinlagen mit ugandischen Ausmaßen. Man kann die Augen nicht von der Straße lassen, sonst steckt man fest oder das Gehirn wird einem aus dem Kopf geschüttelt. Es ist eine einzige Materialteststrecke. Selbst R. mit seinem Anhänger leidet heute. So ist die Tour nicht nur körperlich, sondern auch mental sehr anstrengend. Als wir in Sindou ankommen, bin ich fix und fertig. Beim Blick auf meine Reisegefährten stelle ich fest, dass ich in guter Gesellschaft bin.
Wir sind im neuen Campement von Tiémoko untergebracht. Es ist sehr schön gelegen und hat einen wunderbaren, von Avocadobäumen beschatteten Innenhof. Tiémoko erkennt mich zwar erst auf den zweiten Blick, doch die gegenseitige Freude ist sehr groß. Ich fühle mich schon fast wie zu Hause.
Gegen Abend wird unsere Beschaulichkeit etwas gestört. Ein alleinreisender Deutscher, der schon die halbe Welt mit dem Rad bereist hat, unterhält uns mit einem zweistündigen Monolog. Irgendwann kann ich ihn nicht mehr hören und gehe vor das Camp, um den herrlichen afrikanischen Sternenhimmel zu bewundern. Im Nu habe ich mehrere Begleiter. Nach dem schmackhaften Abendessen, das uns Coro, die Köchin des Camps, bereitet hat, gehe ich schon kurz nach acht Uhr ins Bett.

Sonntag, 15.1.
Am nächsten Vormittag gab es eine Führung durch das Dorf. Obwohl ich das alles schon einmal gehört und gesehen habe, fand ich es wieder faszinierend, wie Tiémoko durch seine Schilderungen das Dorfleben lebendig werden ließ. Natürlich schauten wir uns auch „unser“ Projekt der Mülltrennung an. Auch hier hatte ich wieder gemischte Gefühle: Es ist nur ein kleiner Anfang, aber es ist einer. Im Dorf konnte man schon die ersten Erfolge sehen. Es fliegt praktisch kein Plastikmüll mehr herum. Anschließend besuchte ich mit R. noch das Camp von Suleymane. Er ist inzwischen Schulleiter einer Art Sonderschule (so würde ich es zumindest in Deutschland bezeichnen). Dort werden Kinder aufgefangen, die in der normalen Schule aus den verschiedensten Gründen gescheitert sind. Sie werden am Vormittag beschult und machen am Nachmittag eine Art Lehre als Mopedmechaniker und demnächst auch als Schneiderin.

Montag, 16.1.
G. ist krank, deshalb gibt es eine Programmänderung: Wir fahren zum Stausee bei Neofila, und fahren über Kankalaba auf der Rüttelpiste wieder zurück nach Sindou. Kurz vor dem Stausee sieht man in der Ferne einen Palmenwald. Fast bin ich geneigt, eine Strandlandschaft à la Karibik zu erwarten. Doch es bleibt afrikanisch. Ein morscher Steg, der rund 20 Meter in den See hineinragt, wird M2 beinahe zum Verhängnis. Er bricht ein und schabt sich Bein und Arm ordentlich ab. Als Entschädigung darf er dann bei einer Bachüberquerung baden.

Dienstag, 17.1.
G. geht es am nächsten Morgen etwas besser und er wagt sich an die 40 Kilometer nach Niansogoni. Das Camp ist mir sofort vertraut. Es hat sich positiv verändert. Mehrere Hütten sind dazu gekommen, der Rastplatz mit Schattendach wurde vergrößert und ist von relativ neu gepflanzten Bäumchen umgeben. Dusche und WC sind gefliest und die Verpflegung ist noch genauso gut wie vor drei Jahren. Auch der Patron, der uns zu den Troglodyten führt, ist ganz der Alte geblieben.

Mittwoch, 18.1.
Für den Rückweg nach Sindou hat R. einen anderen, etwas anstrengenderen, aber sehr reizvollen Weg ausfindig gemacht. Nach der Schilderung des Weges will G. lieber den alten Weg zurückfahren, da er sich noch nicht wirklich fit fühlt. Natürlich soll er nicht alleine fahren. Nach der Beschreibung „etwas steil“ in R.´s Sprachgebrauch läuten bei mir die Alarmglocken. Spontan biete ich mich als Begleitung an und habe das Gefühl, dass die anderen nicht traurig sind. Zum Abschied schenkt R. einem der Buben des Patron sein bewundertes T-Shirt mit einem Niansogoni-Motiv. Der – nicht faul – bietet es postwendend S. zum Kauf an. Mal wieder ein Grund herzhaft zu lachen. Nach flotter, problemloser Rückfahrt kommen G. und ich mittags wieder im Camp an. G. verschwindet gleich wieder im Bett und ich erwarte frisch geduscht bei einem kühlen Bier den Rest der Truppe. Gegen Abend besuchen wir noch die Primarschule in der auch die Sonderklasse von Suleymane untergebracht ist. Vier der Schüler schrauben am Pult an einem Vergaser herum, zeigen die Teile den Mitschülern und benennen sie. Rund 30 Halbwüchsige folgen dem Unterricht, wie mir scheint, eher müde oder gelangweilt. Anschließend darf ich im Schulhof noch „unsere“ Wasserleitung begutachten und ausprobieren. Es ist ein schönes Erlebnis.

Donnerstag, 19.1.
Heute stand dann, neu im Programm, ein Ausflug zu den Höhlen nach Duma auf der Tagesordnung. Jetzt war ich an der Reihe: Schon beim Warten auf den Führer und dem anschließenden Weg zu den Höhlen war mir klar, dass ich den Rückweg nicht mehr schaffen würde. Da sich R. auch nicht wohlfühlte, lagen wir beide vor dem Eingang zu den Grotten im Schatten auf einem Felsen und dösten. Auf mein Bitten hin durfte ich mit dem Führer auf dem Moped zurückfahren, und Tiémoko fuhr mit meinem Rad. Wie es weitergehen sollte interessierte mich nicht mehr. Ich lag mit Übelkeit, Magenbrennen, Gliederschmerzen und Fieber in meiner Hütte und wollte nichts mehr wissen. So versäumte ich ein Fest zu Ehren der Leute, die am Wasserprojekt beteiligt sind, mit offiziellen Dankesreden der Honoratioren des Dorfes, einem Balaphonkonzert und Tänzen. Sogar ein Geschenk, einen Bubou, den die Frauen gewebt und die Männer genäht hatten, konnte ich nicht selbst entgegennehmen. Mein Sohn hat es für mich getan. Es tut mir heute noch Leid, dass ich das versäumt habe.

Freitag, 20.1.
Es war somit auch klar, dass ich am nächsten Tag die Tour nach Tengrela nicht mitradeln konnte. Tiémoko besorgte im Dorf einen Fahrer mit Auto für mich und am nächsten Morgen ließ ich mein Rad verladen und stieg nach herzlichem Abschied von Tiémoko ein. Ich war so elend und apathisch, dass ich nicht einmal traurig sein konnte. Der Transport war dann wieder recht afrikanisch: Im Kofferraum steckte mein Fahrrad, der Fond war zur Hälfte mit den Packtaschen meiner Reisegefährten gefüllt. Auf dem Beifahrersitz nahm eine Lehrerin der Schule Platz, die noch eine weitere Frau auf den Schoß nahm. Als ich protestieren wollte und anbot, doch noch ein bisschen zur Seite zu rücken, damit noch ein Sitzplatz zur Verfügung stand, bekam ich noch einen Packen von der Größe eines Zementsackes gereicht, den ich meinerseits auf den Schoß nahm. Natürlich wurden alle Fenster geöffnet und ebenso natürlich bekam ich die gesamten Auspuffgase ab, was nicht sonderlich zur Besserung meines Befindens beitrug. Nach meiner Ankunft in Tengrela verzog ich mich sofort in meiner Hütte und verschlief praktisch den restlichen Tag.

Samstag, 21.1.
Heute sollte Ruhetag sein. Das bedeutete, dass die Gruppe bereits um 5.30 Uhr zu den Hippos aufbrach. M1. und ich blieben aus mehreren Gründen im Camp. Die Enttäuschung der Anderen bei Ihrer Rückkehr zeigte uns, dass wir nichts versäumt hatten. Sie hatten nicht mehr als ein paar Ohrspitzen zu Gesicht bekommen. Anschließen ging es nach Banfora zum Brotzeit kaufen und dann weiter zu den Domes und den Cascades. Kurz vor der Abzweigung zu den Cascades blieb M1. plötzlich stehen, um einen besonders schönen Baum zu fotografieren. Da so etwas ja nicht sehr lange dauert, fuhren wir weiter in Richtung Domes. Plötzlich, mitten in den Zuckerrohrfeldern hieß es, M. komme nicht nach, wir müssten warten. Als erster fuhr F. zurück und kam unverrichteter Dinge zurück. Ich vermutete zwar, dass er zu den Cascades abgebogen war, wurde aber doch unruhig. Dann fuhr R. zurück und schickte uns alleine weiter zu den Domes, es ging ja nur noch geradeaus. Dort warteten wir wieder. Diesmal auf R., der ebenfalls ohne M1. zurückkam. Er war auch noch zu den Cascades gefahren und hatte dort immerhin das Rad von M1. gesehen. Wir genossen indes noch die eindrucksvollen Domes, bevor wir ebenfalls zu den Cascades weiterfuhren. Dort wurden wir endlich wieder mit M1. vereint. Wie sich herausstellte, hatte er nicht nur fotografiert, sondern auch noch Palmwein gekauft und hatte uns deshalb aus den Augen verloren. So konnten wir dann gemeinsam einen ruhigen und fröhlichen Badenachmittag am Wasserfall verbringen. Vor allem aber konnten wir endlich etwas essen, denn M1 hatte unsere gesamten Brotvorräte dabei.

Sonntag, 22.1.
Heute gab es wieder ein Event, den Markt von Banfora. Mir fehlen einfach die Worte, dieses farbenfrohe, geschäftige Gewimmel zu beschreiben. Man muss es erlebt haben.
Nach einem Mittagessen in Banfora fuhren wir weiter nach Beregadougou, wo wir in einer Mangoverarbeitungsfabrik Unterkunft fanden. Dieser Stopp war auch neu und sollte die elend lange Strecke von Tengrela nach Bobo verkürzen. Trotzdem blieben immer noch 85 Kilometer bergauf, bergab übrig. Wir wurden äußerst freundlich aufgenommen und bewirtet und sollten am nächsten Morgen unbedingt die Mangotrocknerei und die Cashew-Verarbeitung besichtigen. Spontan beschlossen M1. und ich, an dieser Führung nicht teilzunehmen, sondern schon ganz früh loszufahren, um der Mittagshitze ein wenig auszuweichen. R. war damit einverstanden und F., der sich nicht wohlfühlte (jetzt war er an der Reihe), wollte sich uns anschließen.

Montag, 23.1.
Gesagt, getan: Um sechs Uhr, noch in der Dunkelheit, starteten wir. Mein Rad erwies sich im Finstern als ein Sandlochsuchgerät und ich war aufrichtig erleichtert als es allmählich dämmerte. Es wurde eine durchaus denkwürdige Fahrt: F. war mehr als schlapp und kämpfte sich tapfer durch. M. hatte leichtfertig in Banfora einen Eiswürfel in sein Cola getan und musste nun heftig dafür büßen. Ich, die Steigungshasserin, war unvermittelt der King und musste immer wieder ermahnt werden, nicht so schnell zu fahren. Und noch etwas! Es blies uns 85 Kilometer lang ein heftiger, eiskalter Wind ins Gesicht. Als wir endlich die erste kilometerlange Steigung hinter uns gebracht hatten und eine kurze Pause einlegten, froren wir erbärmlich. Diese Strecke hatte so etwas Demotivierendes an sich. Es ging wirklich ohne Unterbrechung auf und ab. Immer wenn man eine Steigung geschafft hatte und durchschnaufen wollte, stockte einem der Atem, weil man schon die nächste sah. Doch wir haben es geschafft.
In Bobo angekommen kämpfte ich mich noch den Berg zum Zion hoch und war müde und zufrieden. Mit Erschrecken stellten wir plötzlich fest, dass wir uns bereits auf der Rückreise befanden und unsere Afrika-erleben-Tour sich unerbittlich dem Ende zuneigte.

Dienstag, 24.1.
Ja, die Zeichen waren nicht zu übersehen. Am nächsten Morgen fuhr ich mit R. zum Busbahnhof, um die Plätze für die Rückfahrt nach Ouaga zu reservieren. Anschließend wollten wir eigentlich eine Anlage besichtigen, in der Plastik aufbereitet wird, um dann Taschen, Rücksäcke und kleine Behältnisse zu fertigen. Doch die Auskünfte in der Verkaufsstelle waren äußerst vage, und obwohl ich kein Französisch verstehe, konnte ich aus dem Tonfall und der Gestik entnehmen, dass niemand ein Interesse daran hatte, dass wir die Anlage besichtigten. Also gingen wir in ein Museum für Musikinstrumente. Ich hatte mir nicht allzu viel davon versprochen und wurde angenehm überrascht. Es war ein sehr lohnender Besuch. Beim Mittagessen, Hühnchen mit Pommes frites, hatte ich dann wieder ein afrikanisches Erlebnis, aber eines, das mich sehr traurig stimmte: Wir hatten uns hinter den Bahnhof an einen vermeintlich abgelegenen Platz verzogen, um ein bisschen Ruhe zu haben. Doch daraus wurde nichts. Eine Karawane von Straßenhändlern zog in ununterbrochener Reihenfolge an uns vorbei. Und dann standen da plötzlich zwei Betteljungen. Erst verzögert verstanden wir, dass sie es auf unsere Knochenteller abgesehen hatten. Als wir sie ihnen gaben, setzten sie sich neben unseren Tisch auf den Boden und benagten unsere abgefieselten Knochen ein zweites Mal. Als wir den Hof verließen, sahen wir, dass sie mit ihrer Mutter zusammen auf den Stufen saßen und nun zu dritt mit den Knochen beschäftigt waren. Wären sie doch nur ein paar Minuten früher gekommen. Ich hätte ihnen gerne von meinem Fleisch etwas abgegeben.
Abends dann wieder ein Highlight, Straßentheater zum Thema Kinderarbeit und Kinderrechte. Obwohl ich kein einziges Wort verstand – es wurde in einem afrikanischen Dialekt gespielt – konnte ich doch alles verstehen. Am eindrucksvollsten waren die Kinder. Ich hatte den Eindruck, sie spielten nicht, sondern sie stellten sich ganz einfach selbst dar.

Mittwoch, 25.1.
Und zum Schluss nochmals ein afrikanisches Erlebnis: M1. hatte bei einem Schneider mehrere Kleidungsstücke in Auftrag gegeben und dazu gesagt, dass alles um 11 Uhr fertig sein müsse, da unser Bus um 12 Uhr fahren würde. Wie immer „pas de problème“. Als wir um halb 11 ankamen, war natürlich noch nichts fertig. Der Schneider musste erst noch in die Stickerei fahren, und als er zurückkam, stürzte sich die ganze Mannschaft auf die Stücke, um die Teile zusammenzunähen. Trotzdem reichte die Zeit nicht. M1. schickte mich mit dem Führer weg zum Busbahnhof und wollte notfalls auf einen späteren Bus umbuchen. Ja, dann wartete ich im Busbahnhof. Der Bus hatte zum Glück etwas Verspätung und ich war um jede Minute froh. Als alles Gepäck verladen war, hatte ich die Hoffnung schon aufgegeben. Dann, in wirklich letzter Minute, die Leute stiegen schon ein, kam M. mit seinen Schätzen.
So ging es dann mittags wirklich zurück nach Ouaga. Ein festliches Abschlussessen in einem französischen Restaurant beendete diesen Tag.

Donnerstag, 26.1.
Dieser Tag wurde dann schon wieder stressig. Einpacken, Zimmer räumen und schließlich noch die Zeit bis zum Start zum Flughafen rumbekommen. Ich kann mich in solcher Aufbruchsstimmung eigentlich auf nichts mehr richtig einlassen. Deshalb beschloss ich, nicht mit den anderen ins Village Artisanal zu fahren, sondern mit M. und Führer auf den großen Markt zu gehen. Das war das richtige Ablenkungsprogramm. Auch hier fehlen mir wieder die Worte zu beschreiben, was sich in diesem riesigen Markt abspielte. Mindestens vier verschiedene Verkäufer hielten einem ihre Ware vor die Augen, zupften an einem herum und erklärten, dass alles ganz tranquil sei und ließen um alles in der Welt nicht locker.
Ein letztes Mal erlitt ich auf dem Weg zum Flughafen den Feierabendverkehr von Ouaga. Das Zerlegen der Räder und das Einchecken waren problemlos. Nur M2. musste eine Ehrenrunde einlegen und seinen Karton nochmal öffnen. Er war zu groß und passte nicht durch den Scanner.
Wenn ich mir nun die Überschrift anschaue und meinen Text nochmal durchlese, kann ich nur sagen: Es war alles ganz anders als vor drei Jahren. Vielleicht sollte das Thema heißen: Was ist denn gleich geblieben? Gleich geblieben ist das Abenteuer Afrika, die fröhlichen, freundlichen, offenen und stets herzlichen Menschen, die abwechslungsreiche und selbst in ihrer Kargheit faszinierende Landschaft. Ich habe meinen zweiten Trip nach Burkina zu keiner Minute bereut. Es war wieder wundervoll. Ich habe die Geborgenheit in einer Supergruppe genossen, die kameradschaftliche Leitung durch unseren Führer, das Schwelgen in Erinnerungen mit R., das Wiedersehen und -erleben von schon Bekanntem und das Erfahren von Neuem.

Februar 2012
Marianne

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