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Als Frau auf dem Drahtesel durch die Casamance

Senegal-Casamance

von Sabine Dittrich

Direkt hinter unserer Unterkunft im Dorf gibt es einen Wasserlauf der sich zu einem kleinen See weitet. Ein sandiges Ufer, auf der einen Seite von Wald gesäumt. Gegenüber ist in der Ferne eine Brücke zu sehen, auf der gerade ein hoch beladenes Buschtaxi im leuchtend roten Sonnenuntergang zu erkennen ist. „Wunderbar, diese Landschaft, so romantisch habe ich mir die Tropen vorgestellt,“ schwärmt Petra. Schon bei der Ankunft waren wir begeistert, als der Weg an einem Palmenwald und dann an den Ruinen verfallener Kolonialgebäude, eingerahmt von riesigen Kapok Bäumen mit ihren weiten Brettwurzeln vorbeiführte. Schon oft war ich im Senegal unterwegs, nun aber zum ersten mal mit dem Fahrrad. Gemeinsam mit meiner Freundin Petra sind wir von Dakar an der Atlantikküste entlang nach Süden geradelt. Hinter Kaolack, im Anschluß an das Mündungsdelta der Sine und Saloum Flüsse, wird die vorher karge Landschaft deutlich grüner und der Baumbestand dichter. Erstes Highlight der „grünen Tropen“ ist das schon in vielen Berichten gelobte Tumani Tenda Camp, idyllisch an einem Seitenarm des Gambia Flusses gelegen. Überquert man danach die nahegelegene Grenze, um von Gambia wieder nach Senegal zu gelangen, dann hat man die südliche Region, die Casamance erreicht.

Zu Beginn ihrer Kolonialgeschichte war dieser Landstrich portugiesisch besetzt und kam Ende des 18. Jahrhunderts nach einem Tauschgeschäft an Frankreich. Durch Gambia vom restlichen Senegal getrennt, hat diese Region eine eigenständige Entwicklung erlebt. Bis heute fühlen sich die Bewohner der westlichen Casamance abgeschnitten und benachteiligt.

In den 70er Jahren entstanden in vielen Dörfern der Casamance so genannte Campements villageois, in Regie der Dorfgemeinschaft selbst betriebene einfache Unterkünfte, die einen integrierten Tourismus fördern sollen. Einige befinden sich in abseits gelegenen Orten, sind selbst per Buschtaxi nur schwer zu erreichen und werden deshalb nur selten besucht. Andere, in den touristisch gefragteren Gebieten, haben private Konkurrenz bekommen.

„Ihr seid seit zwei Monaten wieder unsere ersten Gäste“, sagt uns Khady, eine der Frauen des Ortes, die derzeit für den Betrieb der Unterkunft zuständig sind. „Wir brauchen die Einkünfte, um der Schule einen weiteren Klassenraum anfügen zu können und um einen neuen Brunnen zu bauen“, ergänzt sie weiter. Im halbjährlichen Wechsel ist jeweils eine Gruppe von Frauen und Männern für die Bewirtschaftung des Campements zuständig. Es gibt eine kleine Entschädigung für die geleistete Arbeit, der Rest fließt in Gemeinschaftsprojekte des Dorfes. Dieses Konzept ist in allen Dörfern gleich, ebenso wie die Preise für Übernachtung und Verpflegung. Die Unterkünfte sind einfach. In einem Raum finden sich zwei bis drei gemauerte Betten mit Matratze, Bettlaken und Moskitonetz. Waschgelegenheiten und Toiletten sind in Gemeinschaftsräumen. In den Campement-Unterkünften wird abends für alle ein einheitliches Menü serviert, meist ein kleiner Salat als Vorspeise, Reis mit Fisch und danach Obst. Danach fällt es leicht, bei einer Flasche Gazelle Bier und eventuell einem kleinen Lagerfeuer mit den Leuten des Dorfes ins Gespräch zu kommen. Die Menschen hier sind ausgesprochen offen, man kann über alles reden. Wie ist das Verhältnis zwischen Männern und Frauen, wie läuft das mit der Polygamie, was hat es mit den Initiationsriten auf sich?

Das Konzept dieser Unterkünfte, die wunderschöne Region und die freundlichen Menschen bieten sich geradezu an für eine Fahrradreise von Campement zu Campement. Dabei muss man nicht gleich mit dem eigenen Rad anreisen; bei einigen Hotels in der Regionalhauptstadt Ziguinchor kann man Räder ausleihen und in Oussouye gibt es einen Fahrradverleih, der auch geführte Touren organisiert. Mehr als ein Dutzend unterschiedliche Campements, sowohl am Nord- wie auch am Südufer, können als Tagesziel bequem angesteuert werden. Fast alle sind traditionelle Lehmbauten in unterschiedlichem Baustil. Da ist das zweistöckige Haus in Oussouye, der Rundbau mit Innenhof in Affiniam oder die rustikalen Bungalowhütten in anderen Orten, ganz im Stil der Diola, der vorherrschenden Ethnie im Südsenegal.

In der Casamance sieht man deutlich mehr einheimische Fahrradfahrer als in den übrigen Landesteilen des Senegal. Während es im Norden viele sandige Wegstrecken gibt, findet man im Süden doch ausreichend feste Pisten, die ein gutes Fortkommen garantieren. Vor allem für den Transport von Waren ist das Velo ein flexibles und preisgünstiges Transportmittel. Weiße Reisende, die sich auf Fahrrädern fortbewegen, sind allerdings immer noch eine Seltenheit. Oft ernten wir erstaunte Blicke, wenn wir erzählen, dass wir per Rad unterwegs sind. So auch bei jenem Grenzbeamten, der nach unserer Wiedereinreise von Gambia in den Senegal das Gepäck kontrolliert und auf möglichen Schmuggel bzw. Zollgebühren hinwies. Wir lobten das schöne Land, die freundlichen Menschen und erzählten beiläufig, dass wir in Dakar losgefahren sind und bis nach Ziguinchor wollen. Die Reaktion ist ungläubiges Staunen. „Ihr seid Frauen, könnt ihr denn so weit fahren?“ fragte er noch, bevor wir weiter durften.

Und Radfahren macht Spaß! Die Straßen sind mal asphaltiert, mal feste Pisten und nur selten so sandig, dass man sein Zweirad schieben muss. Hohe Bäume, kleine Wäldchen, Obstplantagen, Reisfelder und stille Wasserläufe prägen das Landschaftsbild. Berge gibt es keine. In den meisten Orten gibt es kleine Verkaufsläden, wo Wasser und Softdrinks immer zu bekommen sind, oft auch Obst wie Bananen, Mandarinen, Guaven, Mangos und Zitrusfrüchte. Hohe Niederschläge und fruchtbare Böden sorgen für ein reichhaltiges Nahrungsmittelangebot. Das wird ergänzt durch fangfrischen Fisch und Meeresfrüchte sowie die Produkte der allgegenwärtigen Ölpalmen: das rote Speiseöl und der milchige, leicht alkoholische Palmwein. Hunger leidet hier niemand.

Um von einem Ort zum anderen zu gelangen, kann es auch sinnvoll sein, die Räder in eine Piroge zu laden und sich mit Hilfe eines Außenborders durch die Mangroven fahren zu lassen. Oder mal eine Distanz per Buschtaxi zu überbrücken, d.h. die Räder auf das Dach eines Kleinbusses zu laden.

Wer zum ersten Mal in Westafrika unterwegs ist, läßt sich am besten von jemandem führen, der sich auskennt. So kommt man schneller mit den Leuten in Kontakt, bekommt vieles erklärt und lernt die schönsten Stellen kennen. Auf den Reisfeldern oder in den Gemüsegärten arbeiten Gruppen von Frauen in leuchtend bunten Kleidern, die uns zurück winken wenn wir grüßen. Manchmal halten wir auch an, probieren selbst mit dem kleinen Messer die scharfen Reishalme zu schneiden, ziehen mit vereinten Kräften Wasser aus dem Brunnen oder versuchen unter großem Gelächter der Frauen, das Getreide im Mörser zu stampfen. Wenn unser Weg an einem Dorf vorbei führt, rennen Kinder auf die Straße, winken und rufen „Lulum, Lulum“, (Weißer/Weiße). Einmal sahen wir am Wegrand eine Feier. Eine Trommelgruppe spielte und schick gekleidete Frauen saßen auf bereitgestellten Stühlen. Nacheinander standen einzelne auf, rannten zu den Musikern und führten einen kurzen schnellen Tanz vor. Man erklärte uns, dass es eine Feier zur Namensgebung eines Kindes sei. Wir durften Bissap, ein Hibiskusgetränk und in Fett gebackene Teigbällchen probieren. Ein andermal überholten wir zahlreiche Frauen und Kinder, die früh am Morgen zum Markt im nächsten Ort unterwegs waren. Spontan wurden wir angesprochen, jemanden mitzunehmen und flugs hatte jede von uns ein kleines Mädchen auf dem Gepäckträger sitzen, die auf dem Kopf noch einen Korb mit Marktsachen festhielt.

Morgen geht es weiter zum nächsten Ort und wir sind schon gespannt, was uns da an Abenteuern erwartet. Denn im Senegal zu reisen ist recht unproblematisch – auch für Frauen. Die Infrastruktur (Straßen, Verkehrsmittel, Unterkünfte, Telefon, Verpflegung …) ist überraschend gut, es gibt keine wilden Tiere und die Menschen sind ausgesprochen herzlich und hilfsbereit. Selber sollte man natürlich auch ganz offen sein für die Begegnung mit einer fremden Welt. Man muss lernen, überall zu grüßen (eine paar Worte in französisch, wolof oder diola sind da recht nützlich), darf nicht durch Ablehnung provozieren und vor allem sollte man/frau immer und überall viel Zeit mitbringen.

* aus: Thomas Baur: Senegal, Gambia
Reise-Know-How Verlag Peter Rump GmbH, Bielefeld

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